Eine Schulstunde mit Buddy Ogün (Fotos: Philipp Tonn), Dezember 2010

„Wer ist bloß Buddy Ogün?“ fragen sich die Erwachsenen.
Googeln Sie nicht, fragen Sie Ihre Kinder.
„Buddy Ogün? Kommt der? (Kreischen). Wohin? (Hektisches Zappeln). Darf ich da hin? (Erpresserisches Lächeln, ich tu alles dafür, wasche sogar ab, wenn ihr wollt). Bittteeee!!!“

Buddy Ogün im Horner Nachtcafe

Der Shootingstar der Comedyszene war eher durch seine Internet-Präsenz denn durch seine Live-Auftritte bekannt geworden, durch Youtube z.B., wo sich eher unsere Jugendlichen, weniger deren (ältere) Eltern kulturell fortbilden oder zumindest glauben es zu tun.

Mittlerweile ist Buddy preisgekrönter Gast in zahlreichen TV-Comedy-Sendungen, wird gerne interviewt, weil er seine „Maske“ selbst in offiziellen Gesprächen nicht ablegt, gilt als authentischer Proll, den absolut niemand gerne als Schwiegersohn sähe, der aber so ganz anders ist als die meisten eher harmlos lustigen Comedians, die eher abgedroschene Sprüche als persönliches Profil offenbaren.

Und Profil hat er, der Buddy. Und er beherrscht sein Handwerk. So gut, dass seine Fan-Gemeinde den Großteil seines Programms und seiner Pointen mitsprach, seine Songs mitsang und schon Minuten vor einem Szenenwechsel wusste, was gleich passieren wird.

Buddy Ogün im Horner Nachtcafe

Und er beherrscht die Sprache der Billstedt-Horner-Steilhoper-Osdorferborner-Mümmelmannsberger Jugendlichen so meisterhaft wie kein anderer. Beherrscht deren Körpersprache, ihre Mimik und Gestik der Straße, das Machogehabe der Möchtegern-Mafiosi, das naiv-agressiv-sonnenstudiogebräunte Turteln der Bräute muskelshirtgestylter Mini-Gangster.

Uralt, und doch von ihm neu erfunden: Das Schlüpfen in Rollen, die scheinbar nicht zusammen passen. Sein Trick: Ein schlichtes Handy. Das ist neu – nicht das Rollenspiel, nicht das Handy, aber der Trick.

Buddy kommt als Proll auf die Bühne, macht jeden an, schwört ununterbrochen auf alles, pöbelt durch die Gegend, droht dem vollbesetzten Konzertsaal unserer Schule geschlossen Prügel an und – genau da klingelt es. Sein Handy. Und jeder Jugendliche weiß heutzutage, dass es egal ist, was gerade geschieht, ans Handy MUSS man gehen.

„Ja-haa, Sören, ja du, natürlich kann ich dir mein Rad leihen, du, aber...“ Innerhalb einer Zehntelsekunde verwandelt er sich in Gestalten, die nichts, aber auch gar nichts mit dem ASI davor zu tun haben. Verwandelt sich so vollständig, dass man mit ihm in eine Parallelwelt abgleitet, welche die ursprüngliche Gestalt sofort vergessen lässt.

Buddy Ogün im Horner Nachtcafe
    
Buddy Ogün im Horner Nachtcafe

Und genau so schnell ist er wieder zurück, knüpft nahtlos an die Prügeldrohung an, macht auf Kanaksprach jeden fertig, der nicht seiner genial gespielten Getto“philosophie“ folgt.

Buddy Ogün im Horner Nachtcafe
    
Buddy Ogün im Horner Nachtcafe
    
Buddy Ogün im Horner Nachtcafe
    
Buddy Ogün im Horner Nachtcafe

Wir hatten als Veranstalter vorab ein wenig „Muffensausen“, wussten wir doch, wie beliebt Buddy Ogün in unseren Stadtteilen ist. Was wir nicht wussten: Schülerinnen und Schüler aus Eppendorf, Blankenese und Winterhude mögen ihn ebenso. Unsere, weil er „einer von uns“ zu sein scheint, Jugendliche der „besseren“ Stadtteile, weil man mal „einen von denen“ live sehen will.
Nur einen Tag nach Bekanntgabe des Termins erreichten uns mehr Anfragen von Schülern aus wohlsituierten Stadtteilen als aus unserem Einzugsgebiet.
Ganz kritisch gesehen kann man da ein wenig Sozialtourismus unterstellen. Weniger kritisch: Buddy ist Kult, denn niemand prollt so gekonnt wie er.

Entsprechend gut gemischt war das Publikum, entsprechend weniger – nämlich keine – Randale gab es. Ein Comedy-Abend für Jugendliche (und einige verirrte Eltern, die sich zwar manchmal die Ohren zuhielten, aber ebenso oft schallend lachen mussten) ohne weitere sicht- und hörbare Folgen.
Bei einigen ZuschauerInnen vermutlich leider auch ohne intellektuelle Folgen, denn viele Jugendliche bekamen eins nicht mit: Sie sind es, die Buddy imitiert und persifliert, sie sind die Zielgruppe, die er aufs Korn nimmt, und die das überhaupt nicht bemerkt, bemerken will oder bemerken kann.

Buddy Ogün im Horner Nachtcafe
    
Buddy Ogün im Horner Nachtcafe

Die anschließende Autogramm-Fotostunde verlief nett und harmlos. Eine disziplinierte Schlange wartete ruhig und gelassen auf den persönlichen Schnappschuss, und Buddy setzte für jeden gerne noch einmal seine gespielte Aggro-Maske auf.

Buddy Ogün im Horner Nachtcafe

Eins wunderte uns Organisatoren allerdings:

Mindestens 50 Jugendliche aus unseren Stadtteilen verließen den Comedy-Abend schon nach 10-15 Minuten, schwer enttäuscht von ihrem Idol.
Begründungen im O-Ton:
„Der labert voll nur rum, das is ja nur Gequatsche, Digga, voll öde, Alda.“
„Ey Digga, hättisch gewusst, dass der nur voll rumlabert, ’schwär nich gekomm, ’schwör.“

Nun fragen wir Organisatoren des Horner Nachtcafés uns natürlich ernsthaft, was ein von uns geladener Comedian oder Kabarettist auf einer Bühne anderes bieten sollte als gesprochene und gespielte Texte mit eventuell ein wenig Gesang bzw. Rap mit Musik.
Öffentliche Schlägereien? Anmache und Pöbeleien? Bandenkriege und Racheorgien? Suff und Kiff? Drohungen und Erpressungen? Eine Anleitung zum Klauen von Autoradios oder anderer Pretiosen?

Nein, wir kürzen in Zukunft jeden Sketch, jeden Text, jeden Song auf die Länge eines Youtube-Videos und projizieren die Live-Künstler, die problemlos auch in einem Nebenraum auftreten könnten, auf ein Smartboard. So können unsere SchülerInnen sicher sein, nur das zu erleben, was sie schon kennen. Dabei bitten wir sie ihr Handy anzulassen, damit sie während des Programms auch simsen und in Ruhe spielen können.

Vielleicht sollten wir die Künstler sogar ganz weglassen und nur noch Videos zeigen?